Das etablierte Brandenburger Kunstfestival feiert im Jubiläumsjahr gemeinsam mit Künstler*innen der vergangenen 25 Ausgaben, darunter viele bekannte Namen aus der internationalen Kunstszene.
Zwei Jahrzehnte vor dem großen Landleben-Trend hat ROHKUNSTBAU den Blick auf Rückzugsgebiete abseits der Metropolen gelenkt. Im sommerlich entspannten Dialog mit der Kunst, der Landschaft und den Menschen vor Ort hat das Festival für ein humanes Miteinander und pflegliches Naturverhältnis geworben. Jahresthemen wie „Kinderszenen“ (2005) „Atlantis“ (2009), „Macht“ (2011), „Revolution“ (2014) „Apokalypse“ (2015), „Die Schönheit im Anderen“ (2017) oder „Achtung – Mind the Gap“ (2018) waren Impulsgeber für ein vertieftes Nachdenken über kulturelle, soziale und politische Zusammenhänge. Austragungsorte waren Schlösser (Kulturschloss Roskow, Wasserschloss Groß Leuthen, Schloss Sacrow, Schloss Marquardt) oder Villen (Villa Kellermann in Potsdam) und im Jubiläumsjahr erneut das Barockschloss Lieberose am Saum des Spreewaldes.
Im von der Corona-Pandemie und dem Gebot des „Social Distancing“ geprägten Jubiläumsjahr lautet das ROHKUNSTBAU-Motto – scheinbar paradox – Zärtlichkeit. Vom Zusammenleben“. Kuratorin des Festes des Wiedersehens mit ROHKUNSTBAU-Künstler*innen ist Dr. Heike Fuhlbrügge. Die Autorin und Kuratorin löst 2020 den langjährigen ROHKUNSTBAU-Kurator Mark Gisbourne ab. Gleichzeitig hat die Trägerschaft gewechselt. Brandenburgs bekanntestes Festival für zeitgenössische Kunst wird in unabhängiger Trägerstruktur vom Verein der Freunde des Rohkunstbau e.V. fortgeführt. In der Vergangenheit ist die Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg Träger der Ausstellungsreihe gewesen, die mehrfach auch ein Schaufenster bei der Kunst-biennale in Venedig hatte.
ROHKUNSTBAU setzt dem Zeitgeist kultureller Coolness und sozialer Härte gezielt die sanfte Macht einer Politik der Zärtlichkeit und eine Strategie der „Revolution der zärtlichen Liebe“ (Isabella Guanzini) entgegen. „Zärtlichkeit“ und „Zartheit“ werden von Anklängen des Kitschigen, Schwächlichen oder Wehleidigen befreit, ohne Schattenseiten (fehlende Distanz oder die Gefahr der Übergriffigkeit) zu übersehen. Das Spektrum der gezeigten Werke reicht von subtilen Interventionen in den historischen Schlossräumen (Karin Sander) über die gemalte Wucht ›zärtlicher Landschaften‹ (José Noguero) bis hin zur massenmedialen Konservierung zarter Gefühle (Objektkunst von Gregor Hildebrandt aus gepressten Liebesfilmen).

Die russische Videokünstlerin Olga Chernysheva nimmt Betrachter*innen auf eine elegische Dampferfahrt mit. Aus den Schiffslautsprechern dringt russische Volksmusik. Die Menschen freuen sich, tanzen, die Landschaft zieht gemächlich vorüber und bei aller Abgedroschenheit der Situation kommt für Momente eine herrliche Leichtigkeit auf. In Plastiken von Bettina Pousttchi oder Alicja Kwade drückt sich Zärtlichkeit als innige Verbindung von Stärke und Nachgiebigkeit aus. In den Werken A K Dolvens geht es um den Menschen in der Isolation und Ola Kolehmainen widmet sich Schutzräumen der Innerlichkeit. Leiko Ikemura lässt mit einer janusköpfigen Hasenskulptur auf Ambivalenzen intimer Nähe blicken. Um das Motiv der Doppelgesichtigkeit und das Wechselspiel von Anziehung/Abstoßung geht es auch bei einer Zwillingsfigur von Thomas Scheibitz.
Antithesen zum Zarten formuliert Michael Sailstorfer: Der Künstler rollt mit einem Patchwork aus deutschen Polizeiuniformen Fragen nach Polizeigewalt wie auch Gewalt gegen Polizisten auf. Das Publikum darf den „Polizeiteppich“ betreten und sogar darauf herumtrampeln. Thomas Rentmeister berührt Schmerzpunkte, die aus fehlender Solidarität und Humanität resultieren. Das Material seiner raumgreifenden Installation – Bettgestelle und Kinderspielzeug – stammt aus einem verlassenen deutschen Flüchtlingsheim.
Eine Klammer der ausgewählten Werke bilden Zwischentöne, der Charme des Beiläufigen, das Spiel der Fantasie, die Auflösung der Grenzen des Eindeutigen und die besondere Kraft des Subtilen, Sensitiven und Imaginären. „Die Imagination ist die stärkste Kraft in meiner Kunst“, sagt die Künstlerin Leiko Ikemura. Eine Liebeserklärung an 25 Jahre ROHKUNSTBAU als Fest der Kunst und Künstler steuert die in Berlin lebende türkische Künstlerin Ayşe Erkmen mit einer monumentale Außenskulptur bei.
Die 20 Künstler*innen der Jubiläumsausstellung kommen aus unterschiedlichen Nationen, leben aber überwiegend in der deutschen Hauptstadt. ROHKUNSTBAU ist von Beginn an auch ein Schaufenster der Kunstmetropole Berlin im brandenburgischen Naherholungsraum gewesen. Die Atmosphäre der erzwungenen Unterbrechung durch den Corona-Lockdown, das Leben ohne Handschlag und Umarmung und das Gefühl, auf schwankendem Boden zu stehen sind in das Projekt mit eingeflossen. Noch im April ist unklar gewesen, ob der 25. ROHKUNSTBAU in diesem Jahr überhaupt stattfinden kann. Die Ausstellung findet unter strikter Einhaltung der Hygieneregeln statt.
25 Jahre ROHKUNSTBAU bedeutet ein Vierteljahrhundert hochkarätige Gegenwartskunst an wechselnden Orten. Die Wortschöpfung ROHKUNSTBAU ist abgeleitet vom ersten Ausstellungsort 1994: eine Betonhalle in Groß Leuthen bei Lübben, die 1989 für die Arbeiter-festspiele der DDR errichtet worden war und Rohbau geblieben ist.
ROHKUNSTBAU 25. wird veranstaltet vom Verein der Freunde des Rohkunstbau e.V.
Kuratorin: Dr. Heike Fuhlbrügge
DIE 20 KÜNSTLER*INNEN DER 25. ROHKUNSTBAU:
- Olga Chernysheva (RU) Video, Fotografie
- A K Dolven (NOR) Konzeptkunst, Fotografie, Installation
- Ayşe Erkmen (TUR) Konzeptkunst
- Thomas Florschuetz (DT) Malerei, Skulptur
- Gregor Hildebrandt (DT) Wandarbeiten und Installation
- Leiko Ikemura (JP) Malerei, Skulptur
- Ola Kolehmainen (FIN) Fotografie
- Alicja Kwade (PL) Skulptur
- Via Lewandowsky (DT) Installation
- Bjørn Melhus (DT) Film und Video
- Christiane Möbus (DT) Skulptur, Installation
- José Noguero (ESP) Malerei
- João Penalva (PRT), Videoinstallation
- Bettina Pousttchi (DT/IRN) Skulptur, Installation
- Thomas Rentmeister (DT) Skulptur, Installation
- Julian Rosefeldt (DT) Film und Video
- Michael Sailstorfer (DT) Skulptur und Installation
- Karin Sander (DT) Konzeptkunst
- Yehudit Sasportas (ISR) Zeichnung, Fotografie
- Thomas Scheibitz (DT) Malerei, Skulptur
ROHKUNSTBAU
El español José Noguero es uno de los 20 artistas seleccionados en esta edición del festival Rohkunstbau.
El Festival de Arte de Brandenburgo ROHKUNSTBAU celebra este año su 25 aniversario con una selección de 20 artistas de trayectoria internacional. En veraniego y relajado diálogo con el arte, el paisaje y la gente local, este festival ha conseguido crear una cuidadosa relación natural con el entorno. En los últimos años ha girado en torno a diversas temáticas como „Escenas de la infancia“ (2005), „Atlántida“ (2009), „Poder“ (2011), „Revolución“ (2014), „Apocalipsis“ (2015), „La belleza en el otro“ (2017) o „Atención – Cuidado con la brecha“ (2018) para impulsar una reflexión sobre la cultura, la sociedad o la política en lugares especiales como castillos (Kulturschloss Roskow, Wasserschloss
Groß Leuthen, Palacio Sacrow, Palacio Marquardt) o villas (Villa Kellermann en Potsdam), y este año en el castillo barroco de Lieberose en el Spreewald.
En esta edición marcada por la pandemia de Corona y el imperativo del „distanciamiento social“, el lema de ROHKUNSTBAU – aparentemente paradójico – es „Ternura. Vivir juntos“. La nueva comisaria del festival es la Dra. Heike Fielbrugge, que reemplaza a Mark Gisbourne. El lema de este año, basado deliberadamente en el concepto de la ternura, busca una suavidad en el arte que contrasta con la frecuente fescura cultural y las dificultades sociales. En este festival, la ternura se libera de sus asociaciones con lo kitsch o con la debilidad. El espectro de las obras mostradas va desde las intervenciones sutiles en las estancias históricas del castillo (Karin Sander) hasta la preservación de sentimientos tiernos en los medios de comunicación (Gregor Hildebrandt), pasando por el impacto pictórico de José Noguero y sus „paisajes tiernos“.
Los 20 artistas* de la exposición del aniversario provienen de diferentes naciones, aunque la mayoría de ellos viven y trabajan en la capital alemana. ROHKUNSTBAU desde sus inicios también ha sido un escaparate para la metrópoli del arte de Berlín en el área recreativa de Brandenburgo. La atmósfera de interrupción forzada por el bloqueo social derivado del coronavirus, la vida sin apretones de manos y abrazos y la sensación de estar suspendido en un terreno incierto también forman parte del proyecto. En abril todavía no estaba claro si el 25 de ROHKUNSTBAU podría celebrarse este año. La exposición tiene lugar bajo estrictas normas de higiene.